Verehrte Leserinnen und Leser,
der Schuhmachermeister Karl Pfefferkorn grüßt Sie aus der virtuellen Werkstatt zu Großsteinberg. Heute liegt mir ein Thema auf dem Schusterherzen, das die menschliche Seele mehr beansprucht als ein harter Wanderschuh die Sohle: die Liebe, die Treue und die Sache mit dem Lebenspartner.
Man höre und staune, im Jahr 2025 (ein schier unglaubliches Datum!) scheint es schick geworden zu sein, die Partnerwahl als eine Art permanente Probezeit zu betrachten. Kaum zwickt der Schuh, kaum drückt das Leder – schwupps! – wird das Paar weggeworfen und ein neues Modell gesucht.
Nun, meine geschätzten Damen und Herren, ich will nicht den Moralapostel geben. Ich bin alt genug, um zu wissen, dass der Mensch kein Uhrwerk ist, das man beliebig nachstellen kann. Wer suchet, der findet – manchmal aber eben erst nach ein paar Irrwegen des Herzens. Es wäre töricht, sich in ein Unglück zu zwingen, nur weil der Trauschein ausgedruckt ist. Wenn die Konstruktion von Grund auf fehlerhaft ist, ist ein sauberer Schnitt, so schmerzhaft er auch sein mag, oft die einzige vernünftige Kur. Jeder hat nur ein Leben, das ist richtig, und das sollte man nicht in einer seelischen Notunterkunft verbringen.
Aber! Hier kommt das große aber, das ich als alter Handwerker so gerne betone. Dieses moderne Gerede von „man verpasst etwas“, wenn man bei seinem einmal gewählten Glück bleibt – das ist ein Trugschluss, meine Damen und Herren, und zwar einer aus der ganz feinen, gefährlichen Seide gewebt. Man jagt einem Phantom der Perfektion hinterher, das am Ende bloß aus tausend verschiedenen halben Sachen besteht.
Wenn Sie nämlich das Wagnis eingehen, zusammenzubleiben, nicht trotz, sondern wegen der kleinen Macken und Schleifspuren, die das Leben nun einmal hinterlässt – dann gewinnen Sie etwas, das kein ständiger Partnerwechsel jemals bieten kann: die Symbiose.
Es beginnt mit einem Blick, der keine Worte mehr braucht. Es entwickelt sich zu einem unerschütterlichen Vertrauen, das die Stürme des Alltags aushält, weil man weiß: Der Fels ist auf der anderen Seite. Und es mündet in einer Liebe, die sich nicht in Feuerwerken zeigt, sondern in der stillen Gewissheit, dass der andere das eigene Ich besser versteht, als man es selbst tut. Das, meine lieben Freunde, ist die wahre, tief sitzende Liebe, die oft gerade dort blüht, wo man sie im Taumel der Jugend nicht vermutet hätte: in der Zähigkeit des Miteinander-Seins.
Wer ein funktionierendes, ehrliches Bündnis wegen ein paar kleiner Kratzer aufgibt, um die Illusion des immer Besseren zu jagen, der verpasst am Ende nicht das Abenteuer der neuen Liebe, sondern die tiefe Ruhe der alten Liebe. Und die ist, glauben Sie mir, die schönste aller Reisen.
Denken Sie darüber nach, wenn Sie das nächste Mal versucht sind, ein gut eingelaufenes Paar Schuhe wegzuwerfen, nur weil Sie ein glänzenderes im Schaufenster sehen.
Mit herzlich-nachdenklichen Grüßen aus Großsteinberg,
Ihr Karl Pfefferkorn, Schuhmachermeister a.D. (Der weiß, dass die besten Sohlen erst nach Jahren der gemeinsamen Nutzung wirklich bequem werden.)




